Das bedingungslose armutsfeste Grundeinkommen

Bedingungsloses armutsfestes Grundeinkommen (BGE) – weshalb, wozu und warum nicht?

Die jährliche Steigerung des Bruttosozialprodukts in der Bundesrepublik Deutschland beweist: es wurde in unserem Land noch nie so viel Geld verdient, wie heute. Auch ohne Anlass zum Verdacht des Populismus zu geben kann darauf hingewiesen werden, dass es Bevölkerungsgruppen gibt, die heute wesentlich mehr Geld verdienen als zum Beispiel vor 5 Jahren. In den verschiedensten Bereichen des öffentlichen Lebens, in der medizinischen Versorgung, in Bildung, im gesamten sozialen Bereich wird gekürzt mit dem Argument, es sei kein Geld da. Die allgemeinen Arbeitsbedingungen haben sich in den letzten Jahren verschlechtert. Existenzangst und Mobbing sind keine Ausnahmefälle. Da stellen sich Fragen.

Sprache ist verräterisch. „Arbeitsmarkt“: der Begriff gemahnt an Menschenhandel.. „Beschäftigung“: Menschen sollen nicht eine sinnvolle Arbeit finden, sie sollen beschäftigt werden. „Mitnahme-Effekte“ – wenn ein Hartz IV-Empfänger sich 50 EUR erschleicht, dann wird er kriminalisiert. An der Börse ist der, der große Mitnahme-Effekte erzielt, der Gewinner.

Die rot-grüne Regierung hat (mit Hilfe der CDU und der FDP im Bundesrat) „Hartz IV“ eingeführt. Den Menschen wird gedroht mit Hartz IV, damit sie jeden Job übernehmen, der ihnen angeboten wird. „Hartz IV löst nur Leid aus“, so Götz Werner. Ich sage: Hartz IV erzeugt Leid durch Angst.

Das hinter Hartz IV stehende Menschenbild besagt unter anderem, dass (die meisten) Menschen nur dann arbeiten werden, wenn man sie dazu zwingt. Deshalb muss man ihnen Angst machen, damit die arbeiten.

Ein Werftbesitzer, dem ich von der Idee des BGE erzählte, meinte entgegen meinen Erwartungen: „Ich würde immer noch genau so viel arbeiten, wie vorher. Aber ich hätte die verdammte Angst nicht mehr.“

„Warum arbeiten sie?“ – „Um Geld zu verdienen“. Wozu verdienen sie Geld?“ – „Um Leben zu können“. „Warum leben sie?“ „Um zu arbeiten.“ Dieser Zirkelschluss verdeutlicht nicht eine Wirtschafts-, sondern eine Kulturkatastrophe“. Eine Kulturkatastrophe von einem Ausmaß, dass heute erst wenigen bewusst ist.

Nur noch gut 40% der in unserem Land geleisteten Arbeit ist Lohnarbeit. Das heißt, 60% der geleisteten Arbeit wird unentgeltlich betrieben. Dennoch beruht unser gesamtes Sozialsystem und dessen Finanzierung auf der Lohnarbeit. Diese Lohnarbeit ist mit Kosten dermaßen überlastet, dass kaum jemand von dieser Seite her bezweifelt, dass die Lohnarbeit als Träger des sozialen Lebens unserer Gesellschaft am zusammenbrechen ist.

Es wird immer wieder betont, dass die Wirtschaft neue Arbeitsplätze schaffen soll. Doch was soll ein Unternehmer tun? Er soll ökonomisch und qualitativ hochwertig produzieren. Er soll die Bevölkerung ernähren, kleiden usw. Und zwar soll er möglichst gute Produkte mit dem geringst möglichen Aufwand erzielen.

Dass die Wirtschaft Arbeitsplätze schaffen soll, ist ein Mythos. Der zweite neben dem ersten Mythos, es sei kein Geld da.

Das „Recht auf Arbeit“ ist im Hinblick auf die Lohnarbeit zur Farce geworden. So lange wir nicht in einen Prozess kommen, in dem sich das Einkommen von der Arbeit immer mehr trennt, werden wir immer weiter in eine weltweite soziale Katastrophe hinein geraten. Diese Katastrophe droht weltweit in den nächsten 50 Jahren in einen Kampf aller gegen alle zu münden. Im Hintergrund stehen die Probleme der Rohstoffverknappung (Wasser!! Um nur ein Beispiel zu nennen). Was wir brauchen, und zwar letztlich weltweit, das ist ein in den Gesetzesblättern verankertes Recht auf Einkommen. Selbst das Recht auf Arbeit ist nicht aufrecht zu erhalten, wenn diese neue Entwicklung nicht einsetzt. Das können wir schon heute sehen.

Die wachsende und sich durch die allgemeine menschheitliche Entwicklung  immer deutlicher zeigende Beschränktheit heutigen sozialen Denkens wird diese Katastrophe nicht verhindern können.

Was wir brauchen, das ist ein bedingungsloses und armutsfestes Grundeinkommen. Dabei kommt es nicht in erster Linie darauf an, dass es sofort und in einer heute möglicherweise noch nicht zu finanzierenden Höhe ausgezahlt wird, sondern darauf, dass ein Umdenken geschieht. An der Tatsache, dass wir erwähnt bereits heute 60% der geleisteten Arbeit nicht Lohnarbeit ist zeigt, dass Mensch gerne arbeitet bzw. dass Mensch in der Lage ist, die Notwendigkeit auch schwerer und wenig angenehmer Arbeit ein zu sehen.

Die Tatsache, dass  die meisten Menschen sich heute über ihren Lohn definieren, den sie eben durch Lohnarbeit erwirtschaften, verschleiert den eigentlichen Sinn von Arbeit. Arbeit ist das einzige Mittel, mit dem der Mensch Gesellschaft gestaltet. Diese Gestaltung aus Mitverantwortung ist der eigentliche Sinn der Arbeit. Und diese Sinngebung der Arbeit wird von vielen heute durchaus gesehen. Zum Beispiel Papst Johannes Paul II. hat in seiner Enzyklika „Laborem Exercens“ darauf hingewiesen. Peinlich, dass die Katholische Kirche mit dieser Enzyklika weit sozialer und psychologisch tiefer greift, als unsere gesamte politische Parteienlandschaft heute.

Was würde geschehen, wenn es das bedingungslose armutsfeste Grundeinkommen in einer Höhe gäbe, dass Menschen davon ihre Lebensgrundlage auf vielleicht niedrigem, aber einem diese Grundlage sichernden Niveau erhielten? Vielleicht würden einige keiner Lohnarbeit mehr nachgehen. Aber das können wir uns ja heute auch leisten. Die Menschen würden keine Jobs mehr machen, die unterhalb eines menschenwürdigen Niveaus sind. Sie würden FREIER werden. Sie würden Möglichkeiten bekommen, sich mehr nach ihren eigenen kreativen Vorstellungen auch beruflich zu entwickeln. Junge Leute könnten ohne finanzielle Sorgen studieren. Kinder hätten die Möglichkeit auf anständige und angemessene Bildung. Frauen 8und gelegentlich auch Männer), die sich zu Hause um die Kindererziehung kümmern, hätten ein Einkommen. Sie wären nicht mehr von ihren Männern abhängig. Überhaupt wären den Menschen möglich, sich aus Abhängigkeiten zu befreien.

Ist diese potenzielle Freiheit und Unabhängigkeit der Grund, weshalb heute noch viele das BGE ablehnen? Hat unsere Gesellschaft inzwischen in großem Stil Angst vor Freiheit und Unabhängigkeit?

Ein bedingungsloses Grundeinkommen könnte Bewusstsein verändern. Menschen könnten wieder die Verantwortung für die Tätigkeiten übernehmen, die ihnen vorher durch Geld („Gehalt“) weitgehend abgekauft wurde.

Zur Finanzierung. In Skandinavien können wir sehen, was erste Schritte der Verlagerung des Steuerwesens auf die Verbrauchssteuer (Mehrwertsteuer) bringen kann. Der Grundgedanke ist: wer am meisten Geld ausgibt, soll auch am meisten Steuern zahlen.

Konsequent gedacht: bereits heute, das weiß jeder, der einmal eine Steuerkarte gesehen hat, nähern sich die Nebenkosten (Lohnsteuer, Krankenversicherung, Rentenversicherung usw.) der 50% Grenze. Wir geben also etwa die Hälfte unseres verdienten Lohn-Einkommens dem Fiskus usw. Das komplizierte Steuersystem macht die Arbeit durch die hohen Nebenkosten immer teuerer, so dass wir in Deutschland schon heute kaum noch konkurrenzfähig sind und Billigimporte unseren Markt überschwemmen. Bei Minderung oder gar Abschaffung der bisherigen Nebenkosten bei Verlagerung unseres Steuersystems auf die Verbrauchssteuer würden diese Billigimporte teurer werden, die Inlandsprodukte beispielsweise der Landwirtschaft würden wenig bis kaum teurer, da ja den Unternehmen die hohen Nebenkosten erspart blieben, sie also die Preise ihrer Produkte senken könnten. Durch die Erhöhung der MWST (z. B. auf 48-50 %) würden die Inlands-Preise nach Einführung des neuen Steuersystems wieder etwa so hoch, wie vorher.

Eingespart würden beispielsweise bei dieser Umstellung der riesige Verwaltungsapparat, der dazu führt, dass ein Hartz IV-Empfänger heute dem Staat inklusive Verwaltungs- und Fortbildungskosten ca. 1500 EUR kostet. Außerdem liegt der heutige Sozialtransfer in einer Höhe, dass bereits heute jedem in der Bundesrepublik Deutschland lebenden Menschen eine Summe von EUR 800.- in  die Hand gedrückt werden könnte.

Außerdem würde durch die Einführung der Mehrwertsteuer, die ohne Ausnahme und ohne abschreibungsfähige Elemente gezahlt werden muss, erreicht werden, dass wirklich alle Steuern bezahlen würden.

Eine Einkommensteuer wäre schwer zu kontrollieren und ist immer abschreibungsfähig, weshalb ja auch heute z. B. viele Großunternehmen keinerlei Einkommensteuer bezahlen.

Um was kann es jetzt gehen? Nicht darum, von heute auf morgen das BGE in voller Höhe einzuführen, sondern es langsam und mit dem klaren Ziel vor Augen heute beginnt, unsere Gesellschaft umzugestalten. Das Ziel muss im Auge behalten werden. Die Befreiung der Menschen aus vollständiger Lohnabhängigkeit, die ein Relikt aus früheren Zeiten ist. Das Prinzip der Wirtschaftslebens ist nicht die Freiheit, die sich letztlich gegen den einzelnen Menschen richtet.

Die Globalisierungskritiker von ATTAC weisen darauf hin, dass seit ca. 20 Jahren erstmals in der Menschheitsgeschichte nicht mehr die Wirtschaft für den Menschen, sondern der Mensch für die Wirtschaft da sein soll – ein grundlegendes Prinzip einer Globalisierung, die den Menschen aus ihrem Sichtfeld verloren hat.

Die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens würde nicht nur jungen Menschen eine Grundlage für Studium und Ausbildung bieten, es würde nicht nur Frauen oder Männern, die zu Hause die Kinder erziehen und aus diesem Grund keiner Erwerbsarbeit nachgehen, aus der totalen finanziellen Abhängigkeit des Partners bzw. der Partnerin befreien. Es wäre auch auf der ganzen Welt ein wirksamer Ansatz gegen die zunehmende Armut. Aus diesem Grund wurden in Brasilien auch bereits Regierungsbeschlüsse in dieser Richtung gefasst, die jetzt auf ihre Umsetzung warten. Auch in vielen anderen Ländern weltweit wird das BGE diskutiert und findet zunehmend Anhänger.

Das bedingungslose armutsfeste Grundeinkommen ist eine Zeitforderung, die„in der Luft“ liegt. Nimmt man den gesamten Problemkreis von Armut und Arbeitslosigkeit, dann bietet sich keine andere Idee als Lösungsansatz an.

Arfst Wagner, Tellingstedt

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