Besuch der Abschiebehaft Rendsburg

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Vor dem Besuch der Hafteinrichtung war die Stimmung noch gelöst. Burkhard Peters, MdL, Kerstin Mock-Hofeditz und Nina Schneider, Referentinnen, Arfst Wagner, MdB, Eka von Kalben, MdL (Foto: Thorsten Berndt)

Als einen der ersten Termine des neuen Jahres besuchte ich gemeinsam mit den Landtagsabgeordneten Eka von Kalben (Fraktionsvorsitzende) und Burkhard Peters (u.a. zuständig für den Themenbereich Asyl) und den Referentinnen Kerstin Mock-Hofeditz und Nina Schneider die Abschiebehafteinrichtung in Rendsburg.

Die rot-grün-blaue Landesregierung hat sich im Koalitionsvertrag darauf geeinigt, sich auf Bundesebene  für die Abschaffung der Abschiebehaft einzusetzen. Bis zu einer Änderung der bundesrechtlichen Vorgaben soll die Abschiebungshaft in Schleswig-Holstein wenigstens humanitärer als jetzt gestaltet werden. Ob Abschiebungshaft überhaupt menschlich von statten gehen kann, ist zumindest zweifelhaft, jedenfalls wurde deutlich klar, dass ein ehemaliges Gefängnis kein geeigneter Ort für die Unterbringung der oft schwer traumatisierten Flüchtlinge ist.

In Rendsburg sind in einer ehemaligen Jugendverwahranstalt erwachsene männliche Flüchtlinge und manchmal auch männliche unbegleitete Jugendliche untergebracht. Frauen werden in die Abschiebungshafteinrichtung nach Eisenhüttenstadt in Brandenburg gebracht.

Das Gebäude in Rendsburg und der unfreiwillige Aufenthalt der Männer machen es sehr deutlich: es ist ein Gefängnis, wie man es aus Filmen kennt – und das einzige „Verbrechen“ der Insassen besteht darin, in Deutschland leben zu wollen und nicht freiwillig auszureisen.

Auf die Frage an einen Häftling, ob die Bedingungen im Gefängnis in Ordnung sein, antwortet er: „It is never okay to be in prison. I did not steal, I did not kill, I did nothing wrong. I am just a refugee from Afghanistan and afraid to be killed there.

Gar nicht hoch genug kann man den Einsatz der ehrenamtlichen Kräfte bewerten, die die Beratung der Männer übernehmen und die Kontakte zu Anwälten herstellen, die aber vor allem auch einen menschlichen Austausch bieten.

Die schleswig-holsteinische Koalition plant, die Rendsburger Einrichtung ganz zu schließen, doch bis dies endlich geschieht, werden  jetzt Verbesserungen geprüft, etwa ob die Männer ihre eigene Kleidung tragen dürfen und die Möglichkeit bekommen, diese dort selber zu waschen und zu pflegen. Bislang tragen sie einheitliche Sträflingskleidung. Zwar nicht schwarz-weiß gestreift, sondern – welche Ironie – grün,  aber dieser Eingriff in die private Entscheidungsfreiheit der Männer ist durch nichts gerechtfertigt.

Weitere kleine Verbesserungen sind geplant. Den inhaftierten Flüchtlinge sollen Handys zur Verfügung gestellt werden und die Möglichkeit eingerichtet  werden, das Internet zu nutzen – beides entscheidende Instrumente, um den Kontakt zu Familien und Freunden aufrecht zu halten, aber auch um mit Anwälten und Beratungseinrichtungen in eigener Sache aktiv zu werden. Auch die Freiheiten in der Gestaltung des Tagesablaufes sollen weiter gelockert, die Möglichkeiten zur Freizeitgestaltung ausgebaut werden.

Unabhängig davon, ob Bedingungen verbessert werden, finde ich den Zustand unerträglich, dass Minderjährige (auch wenn es selten vor kommt) nach wie vor den Weg in den Abschiebeknast finden. Und auch Traumatisierte, wie es nun mal die allermeisten Menschen auf der Flucht früher oder später sind, haben hier nichts zu suchen und müssen adäquat medizinisch und psychologisch behandelt werden.

Der oben zitierte, sehr junge Afghane geht mir nicht mehr aus dem Kopf: er war nach Norwegen geflohen, nachdem Taliban seinen Vater und seinen Bruder ermordet haben. Nach einem halben Jahr in einer norwegischen Flüchtlingseinrichtung, wo er sich allerdings frei auch außerhalb bewegen konnte, wurde sein Asylantrag abgelehnt. Er sollte innerhalb einer Woche das Land verlassen oder er würde nach Afghanistan zurück geschickt. Bei seiner Einreise nach Deutschland begab er sich in Flensburg  zur Polizei, um um Hilfe zu bitten und wurde unmittelbar verhaftet (!) und nach Rendsburg ins Gefängnis gebracht. In einer Woche soll er wieder nach Norwegen zurück, weil dies sein „europäischer Erstkontaktstaat“ ist, der nach dem Dublin II-Abkommen für sein Asylverfahren zuständig ist. Dort erwartet ihn unmittelbar die Abschiebung nach Afghanistan. Norwegen liefert,  im Gegensatz zu Deutschland, Flüchtlinge in alle Regionen Afghanistans aus, also auch dorthin, wo er akut bedroht wäre. Deutschland liefert Afghanen „nur“ in die Hauptstadt Kabul aus.

Der junge Mann, der inzwischen zum christlichen Glauben konvertiert ist und die Zeit in Deutschland zur Taufe nutzen wird, sagt: „In Afghanistan they will kill me“.

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